Zusammenfassung
In der vorliegenden Recherche stellte sich heraus, dass für Unterwasserbeschichtungen und insbesondere Antifoulingbeschichtungen bereits Nanomaterialien zum Einsatz kommen und nanotechnologische Produkte auf dem Markt angeboten werden. Auf dem Sportbootmarkt konnten 22 nanotechnologische Antifoulingbeschichtungen und drei Beschichtungen zur Verminderung des Reibungswiderstands gefunden werden (nach Aktalisierung der MarktRecherche im Mai 2010 waren nur noch 14 Produkte auf dem Markt). Diese werden überwiegend auf dem deutschen, aber auch auf dem europäischen und internationalen Markt angeboten.
Bei den Sportbootbeschichtungen dominieren so genannte Nanoversiegelungen, welche auf sich selbstorganisierenden monomolekularen oder multimolekularen Schichten (SAM, selfassembling monolayers) bestehen und überwiegend nanopartikuläres Siliziumdioxid als Grundsubstanz verwenden. Zudem enthalten einige Produkte nanopartikuläre Biozide wie z.B. Silber. Wenige Hersteller geben an, nanopartikuläres Silber einzusetzen, weisen dieses aber nicht als Biozid aus.
Für den Markt der Berufsschifffahrt konnten vier Antifoulingsysteme und ein Epoxid-SilikonHybrid-System aufgefunden werden. Alle Systeme werden international angeboten. Bei diesen Systemen kommen neben Nano-Acrylatkapseln als Bindemittel in Verbindung mit agglomerierten Bioziden nanopartikuläres Silber als Biozid sowie Zink-, Cer-, Silizium-, Titan- und Aluminiumoxide als Additive bzw. Füllstoffe zum Einsatz.
Auf dem Markt für Beschichtungsstoffhersteller wird auch nanopartikuläres Kupfer angeboten, es konnte aber noch kein Produkt mit diesem Biozid identifiziert werden. Die Patentrecherche ergab, dass vor allem Patententwicklungen angemeldet wurden, die nanostrukturierte Oberflächen aus hydrophoben und/oder hydrophilen Oberflächen erzeugen wollen, oder solche, die nanopartikuläres Silber oder weitere Metalle in nanopartikulärer Form als Biozide einsetzen wollen. Einige Entwicklungen benutzen Nanokapseln als Bindemittel, an die Biozide gebunden werden sollen. Nur wenige Patente, wie z.B. eines zum Einsatz von nanopartikulärem Silber als Biozid, wurden in Marktprodukten umgesetzt. Bei allen bisher auf dem Markt befindlichen Antifoulingbeschichtungen fehlt eine Spezifizierung der verwendeten Nanomaterialien in Technischen Merkblättern und den Sicherheitsdatenblättern. Hier wären zur Aufklärung des Endverbrauchers mehr Informationen wünschenswert. Dagegen werden Nanomaterialien als Einzelkomponenten zur Formulierung von Beschichtungen detailliert spezifiziert. Bisher liegen nur wenige Untersuchungen zur Wirksamkeit der auf dem Sportbootmarkt vorhandenen nanotechnologischen Beschichtungen vor.
Über die Wirksamkeit der nanotechnologischen Produkte im professionellen Schifffahrtsbereich liegen ebenfalls noch keine fundierten Unterlagen vor. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass professionelle Produkte wesentlich intensiver auf ihre Wirksamkeit getestet werden als Sportbootprodukte, da in der Berufsschifffahrt Regressansprüche bei Wirkungslosigkeit möglich sind, in der Sportschifffahrt dagegen nicht.
Ob und wodurch Nanoversiegelungen sowie nanostrukturierte Oberflächen eine Bewuchsverhinderung ausüben können, ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt und Gegenstand intensiver Forschung (s.a. www.ambio.org). Es ist in der nächsten Zukunft zu erwarten, dass auf der Basis zahlreicher Forschungsprojekte nanotechnologische Antifoulingbeschichtungen auf den Markt kommen werden, die die Nanotechnologie in vielfältiger Weise nutzen werden. Nach wie vor besteht ein sehr großer Mangel an ökotoxikologischen Arbeiten über die Auswirkungen von Nanomaterialien im Freiland. Dieses ist darauf zurück zu führen, dass es bisher keine geeigneten Analysemethoden für große Probenmengen von Nanomaterialien gibt. Bisher konnten kleinere Probenmengen nur in Verfahren analysiert werden, die für größere Probenmengen zu kostspielig sind. Dagegen findet zurzeit eine Fülle von experimentellen Untersuchungen zur Ökotoxikologie von Nanomaterialien statt, die sich in einer stark ansteigenden Anzahl von Publikationen widerspiegelt. Dennoch entspricht ein Großteil dieser Publikationen nicht den geforderten Standards (CEN, 2007) hinsichtlich der exakten Bestimmung der untersuchten Nanomaterialien und hinsichtlich ihrer ursprünglich und den in wässrigen Medien real vorliegenden Eigenschaften. Diese Probleme gehen beispielsweise über die Bestimmung einer nominalen und realen Konzentration eines Stoffes weit hinaus, da eine Fülle von zusätzlichen Parametern erfasst werden muss.
Hierzu zählen:
• Partikelgröße, Zustandsform (kristallin, amorph etc.)
• Oberflächeneigenschaften und -spannung (Hydrophilie/Hydrophobie, Zeta-Potenzial)
• Oberfläche pro Gramm
• Verunreinigungen (produktionsbedingt, lösungsmittelbedingt etc.)
• Beschichtungen der Nanopartikel
• Veränderungen der oben genannten Eigenschaften, insbesondere der Partikelgröße durch die Lösung in wässrigen Medien (Aggregation, Separation)
• Spezifisches Löslichkeitsverhalten der nanopartikulären Form eines bekannten Stoffes
• Anwesenheit von Liganden wie z.B. reaktive organische und anorganische Verbindungen (Schwebstoffe, Huminsäuren etc.)
• Einfluss der untersuchten Organismen auf die Nanomaterialien (Oberflächenabsoprtion, Ingestion, Metabolismus, Exkretion in veränderter Form etc.). Bisher lassen sich zu der Ökotoxizität von Nanomaterialien im Unterwasser-/ Antifoulingbereich folgende Erkenntnisse formulieren:
• Die eingesetzten Metalle (Kupfer, Silber, Zink) werden in nanopartikulärer Form - wie auch andere Metalle - schneller/leichter ionisiert und Ionen freigesetzt als aus den agglomerierten Materialien. Ohne eine Freisetzung können sie nicht auf die Zielorganismen wirken. Das heißt, ihre Wirkung beruht bei gleichem Mengeneinsatz auf mehr ionisiertem Metall. Die aus nanopartikulärem Metall freigesetzten Ionen verhalten sich wie Metall-Ionen aus Mikro- oder Makropartikeln. Dieses scheint nach den vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen bei Silber, Kupfer und Zink der Fall zu sein, wobei bei Zink zusätzliche Effekte beobachtetwurden, die noch nicht hinreichend erforscht sind. Falls dieses zu Recht angenommen werden kann, könnten bekannte ökotoxikologische Erkenntnisse über die Wirkung dieser Metalle bei ihrem Einsatz als Nanopartikel übertragen werden.
• Es gibt Hinweise darauf, dass die Toxizität von nanopartikulärem Silber und Kupfer nicht ausschließlich auf der Menge der freigesetzten Ionen beruht.
• Unklar bleibt bisher, inwieweit nur Metallionen oder auch nanopartikuläres Metall freigesetzt wird.
• Organische Nanopartikel wie z.B. Fullerene und Kohlenstoffnanoröhrchen zeigen ein breites Spektrum an ökotoxischen Effekten in Abhängigkeit vom untersuchtem Organismus, Organ und Zelltyp sowie den Produktionsrückständen in diesen Materialien.
• Zusätzlich zu den bisher bekannten toxischen Effekten auf der zellulären bzw. molekularen Ebene wird in fast allen Untersuchungen von oxidativem Stress berichtet, den Nanopartikel wie Fullerene, Silber, Kupfer, Zink, Titandioxid und Siliziumdioxid bewirken können.
Auch wenn im Antifoulingbereich bei den Bioziden Kupfer und Silber in nanopartikulärer Form eingesetzt werden, liegen aber noch erhebliche Erkenntnislücken über ihr Verhalten in Süß- wie in Salzgewässern vor. Unklar ist vor allem die Re-Agglomerationsfähigkeit der genannten Antifoulingbiozide, bzw. ihre Beständigkeit als Nanopartikel. Das Verhalten in der Umwelt von nanopartikulären Formen und agglomerierten Formen eines Elements oder einer Verbindung sind offensichtlich nicht identisch (Nowack & Bucheli, 2007; s.a. Kap. 5). Silber und Zinkoxid sind nicht als Wirkstoffe im EU-Altwirkstoffprogramm unter PT 21 notifiziert und
dürfen daher nicht als solche in Produkten eingesetzt werden.
Zurzeit kann die erste Generation von Antifoulingsystemen auf nanotechnologischer Basis, insbesondere „Nanoversiegelungen“ auf der Basis von „self assembling monolayers“ im Sportbootbereich, nicht als Alternative zu den bisherigen biozidhaltigen Produkten angesehen werden. Zum einen gibt es wenige Untersuchungen über die Wirksamkeit, zum anderen liegen kaum Informationen über die Spezifizierung der enthaltenden Nanomaterialien vor. Aufgrund dieser fehlenden Informationen kann ein ökotoxikologischer Vergleich von Antifouling-Anstrichen aus Nanomaterialien und herkömmlichen Materialien nicht erfolgen. Die in der professionellen Schifffahrt eingesetzten Nanomaterialien sind eindeutiger spezifiziert. Eine ökotoxikologische Abschätzung ist dennoch aufgrund unzureichender Datenlage derzeit nicht möglich. Hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen kann erwartet werden, dass in den nächsten Jahren zahlreiche weitere Antifoulingsysteme auf nanotechnologischer Basis auf den Markt kommen werden, die auf der Basis einer molekularen Oberflächenstrukturierung entwickelt wurden. Es ist davon auszugehen, dass diese wesentlich effektiver sein werden als die heutigen Marktprodukte. Es ist aber weiterhin offen, wieweit bis zu ihrer Markteinführung die ökotoxikologischen Risiken hinreichend untersucht wurden und abgeschätzt werden können. Es fehlt bisher die Verpflichtung, Produkte mit Nanopartilkeln oder –materialien zu kennzeichnen oder eine Risikoabschätzung vor der Markteinführung vorzulegen, bzw. eine Risikoabschätzung für Produkte auf dem Markt nachzureichen. Diese sollten etabliert werden.
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